Zur Unterscheidung von zahlreichen Namensvettern amtlich als »Stadt
Kirchberg in Sachsen« bezeichnet, liegt sie im westlichen Teil des
sächsischen Erzgebirges und im mittleren Stromgebiet der Zwickauer Mulde,
in welcher das »Kirchberger Wasser« oder der »Rödelbach« 6 km unterhalb
der Stadt als linksseitiger Zufluß einmündet.
Kirchberg mit seinen im Jahre 1900 7934 Einwohnern in 761 bewohnten
Gebäuden ist Stadt mit revidierter Städteordnung, d.h. es geniest, mit
einem juristischen Bürgermeister und den beiden Kollegien des Rates und
der Stadtverordneten ausgestattet, weitgehende Selbstverwaltung. Es hat
ein Amtsgericht mit 2 Amtsrichtern, 3 Geistliche, da 4 Dörfer in
unmittelbarem Zusammenhange zur »Parochie Kirchberg« gehören, mittlere
Volksschule, kaiserliches Postamt II. Klasse, ein königliches
Untersteueramt, Gasanstalt, Reichsbanknebenstelle, eine Zahlstelle des
Chemnitzer Bankvereins und eine Vertretung des Bankhauses Sarfert &
Co.-Werdau.
Außer dem Haupterwerbszweig der Tuchfabrikation nebst Wollwäscherei und
-Spinnerei, Woll- und Wollabfallhandel werden betrieben neben der
Landwirtschaft und Gärtnerei Heizrohr-, Armaturen-, Maschinen-,
Packstoff-, Schuh- und Cementwaren-Fabrikation, sowie Buchdruckerei und
graphisches Kunstgewerbe.
Gerühmt und viel besucht ist die Stadt nicht nur als bemerkenswerte
Industriestadt mit bedeutendem, auch überseeischem Export, sondern
besonders auch als gastfreundlicher und hervorragend schön und gesund
gelegener Ort. Nicht-Kirchberger haben Kirchberg längst schon scherzend
als »Sächsische Siebenhügelstadt« getauft, überrascht durch seine
hochromantische Lage.
Der Borberg vor allem, 2 km westlich der Stadt gelegen, prächtig sichtbar
vom Auersberg, vom Schönheider Kuhberg und von Zwickau, ist von Alters her
das Wahrzeichen der Stadt gewesen.
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Durch die liebende Fürsorge der Stadtbehörde sind im Hungerjahre 1847/48
grundhafte Wege in Schlangenlinien zum Gipfel des Berges als
Notstandsarbeiten hergestellt worden, woran anknüpfend der
Erzgebirgszweigverein der Stadt das Seine emsig getan hat, den Berg zu
einem Kleinod Kirchbergs zu gestalten.
Seit dem 3. Juli 1882, dem Tag der Anwesenheit König Alberts, wird der vom
Verein auf dem Plateau des Borberges errichteter massiver Aussichtsturm
mit allerhöchster Genehmigung König Albert-Turm genannt. Entzückend ist
die Aussicht von demselben auf die teils in die drei Bachtäler
eingebettete, teils auf »Hängen«, »Leithen«, »Steigen« und »Bergen«
liegende amphithralisch sich erhebende Stadt. Besonders abends gewährt der
Blick von hier, aber ebenso von den beiden anderen hervorragendsten Höhen,
Schießhausberg, Geiersberg, und von der Wiesener Staatsstraße aus durch
das Meer von Licht einen außerordentlichen Reiz. Ist ferner im Süden die
Eibenstöcker Schweiz mit dem Auersberg und den
Lichtenau-Stützengrün-Auerbacher Vorbergen des Kammes des Gebirges ein
wirksamer Rahmen für das Bild, so offenbaren im Norden die Essen des
Zwickauer Brückenberges und die mächtigen charakteristischen gelblichen
Dämpfe über der Königin Marienhütte in Cainsdorf, wie gewaltig dort unter
und über der Erde Tausende schaffen auf industriellem Gebiete. Im Osten
begrenzt der von der böhmischen Grenze bis Burkersdorf herabreichende
Staatsforst, im Westen der Streitwald das Gesichtsfeld.
Dieses selbst zeigt uns die wohlangebauten lachenden Fluren der Stadt,
Saupersdorfs, Leutersbachs, Wolfersgrüns als ein zusammenhängendes
anmutiges Ganze; anmutig, denn über zwanzig Teiche grüßen uns als »Augen«
der Landschaft und kleine Waldbestände, besonders Birkenpflanzungen (Knocks)
geben dem Gelände den Charakter eines Parkes, während die romantische
Höhenlage Lichtenaus und vor allem Burkersdorf mit ihren kühn die Höhe
erklimmenden Häusern und Gehöften geradezu an alpine Bilder erinnert.
Will der Tourist die Namen der Berge der »Siebenhügelstadt« wissen, so
merke er: Borberg, Geiersberg, Schießhaus-(Galgen-)berg, Ottensberg,
Quirlsberg, Sonnenberg, Täubertsberg, Gemeindereutsberg, Kaffeeberg,
Drachenkopf und Kreuzhübel könnten wir dem, dem jene nicht genügen
möchten, leicht noch hinzufügen.
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Was die Seehöhe (noch nach der Ostsee normiert) Kirchbergs anlangt, so
lauten die Zahlen: Schießhausberg 419,58 m; Bahnhofstraße 334,97 m; Kirche
350 m; Rathaus 361,117 m; Borberg 434,3 m und Geiersberg 422,7 m.
Gleich den einladenden Tälern zahlreicher anderer Nebenflüsse der Mulde
ward auch das Rödelbachtal bei der zweiten Kolonisierung des mittleren
Deutschlands um 1000 in seiner ganzen Ausdehnung durch Ansiedlungen
thüringischer und fränkischer Kolonisten bevölkert. Unter dem kraftvollen
Schutze des ritterlichen Grundherrn auf der Wiesenburg (5 km östlich von
Kirchberg), bei welchem Kirchberg und 13 Dörfer bis vor 100 Jahren ihren
Gerichtsstand hatten, wie nicht minder durch den Bekehrungseifer der
Geistlichkeit an der St. Marienkirche (geweiht am 18. April 1118) der
Kreishauptstadt Zwickau, blühten diese Siedlungen rasch und mächtig auf.
Immerhin erhielten sich sorbenwendische Sprache und Gottesverehrung noch
Jahrhunderte lang in hiesiger Pflege.
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Deren Macht zu brechen, erhielt die Kapelle zu Culitzsch, 4,5 km nördlich
von Kirchberg, im Jahre 1300 einen Ablaß für die zu ihr Wallfahrenden. Aus
gleichem Grunde ward zwischen 1285 und 1316 das Dorf Kirchberg zur Stadt
erhoben und um 1317 mit den Dörfern Burkersdorf im Osten, Saupersdorf,
Hartmannsdorf, Giegengrün im Süden, Leutersbach im Südwesten,
Niedercrinitz im Nordwesten und Cunersdorf im Norden zu einem eigenen
Kirchspiel vereinigt. Teils eignete sich Kirchberg zu solch einer
Vorrangstellung seiner zentralen Lage wegen, teils war es wohl schon
volkreicher geworden als Einmüdungsplatz des Leutersbacher Baches und des
Burkersdorfer Wassers in den Rödelbach.
Persönlich zu danken hat Kirchberg allem Anschein nach sein Emporkommen
zur Stadt und Pfarrei den mächtigen Vögten von Weida, welche die
Herrschaft Wiesenburg seit 1240 bzw. 1289 (seit ca. 1160 !) inne hatten
und sich die Bürger von Kirchberg in allem willfährig gemacht hatten.
Da auch der seit Anfang des 13. Jh. auf dem Stadtgebiet und im nahen
»Haarholz« und »Hohen Fürst« nachweisbare Erzbergbau nur mäßigen Ertrag
abwarf, da ferner die Pest, zahlreiche Schadenfeuer und mehrfache Kriege
(besonders die Hussiten 1429) die Stadt arg heimsuchten, glich sie dem von
anderen bemitleideten Mauerblümchen. Das änderte sich jedoch, und die
alten Zeiten des ersten Emporstrebens erneuerten sich, als im Jahre 1570
die Tuchmacherei von Zwickau her ihren Einzug in Kirchberg hielt.
Quelle: Führer durch Kirchberg und Umgebung, Erzgebirgsverein
Kirchberg, 1904 |